Die Niersjunker
Johann Kösters (1897-1987) fasste im Jahre 1944 seine Recherche, die er über die historischen Ereignisse in Wetten zur Zeit der Niersjunker angestellt hatte, in dem vorstehenden Bericht zusammen.
In meiner Jugend habe ich in einem alten Buch folgende Zeilen gelesen:
Am Flüsschen Niers, im Gelderland,
Wohnt ein Geschlecht, „Junker“ genannt.
Die schmausen und prassen,
Die saufen und spassen,
Besitzen kein Geld,
Sind schuldig aller Welt.
Johann Kösters:
Es hat mich immer interessiert, über diese merkwürdige Zunft etwas Näheres zu erfahren, zumal sich in unserer Gemeinde noch viele Bauernhöfe befinden, die als ehemalige Junkersitze zu bezeichnen sind. Die Anfänge des Junkertums liegen gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Zunächst wollen wir einmal untersuchen, wes Geistes Kind diese so genannten Junker waren, woher sie stammten und wie sie ihr Regiment ausübten.
Im Jahre 1578 hatten die Generalstaaten die Herrschaft über das Herzogtum Geldern übernommen. Unser Heimatgebiet wurde nun der Tummelplatz langjähriger Kriege. Soldaten aus aller Herren Länder drangsalierten die Bevölkerung. Brennend und sengend zogen sie durch die Dörfer und reichgesegneten Fluren des Gelderlandes, raubten und mordete und verübten in ihrer wilden Zügellosigkeit die schändlichsten Verbrechen. Die Bevölkerung flüchtete aus den Dörfern. Der Bauer verließ seinen Hof. Das Land blieb unbebaut. Ausdrücklich heißt es, dass die Ländereien im Kirchspiel Wetten von 1582 bis 1594, also 12 Jahre lang, nicht mehr bebaut wurden. Die heute noch bestehenden Höfe: Dierforth, Dam, Caelsters, Overfeld, Bremm, Paßmann, Wey, Bollen, Maes und Toesram lagen gänzlich verwildert. Die Besitzer waren geflohen. Ginster und Birken und wildes Strauchwerk wuchsen auf den ehedem fruchtbaren Äckern. Wilde Tiere, Schweine und Wölfe, fanden dort ihren Unterschlupf. Die herrenlosen Güter gerieten nach und nach in fremde Hände.
Als neue Herren finden wir in der Mehrzahl verarmte, landesfremde Elemente, Offiziere und Soldaten, die sich mit Gewalt oder gegen Zahlung eines lächerlichen Kaufpreises in den Besitz der verlassenen Höfe setzten und dort ein ausschweifendes Leben führten. Sie wandelten vielfach die Wohnsitze in kleine „Ritterburgen“ um, befestigten dieselben durch Gräben und Dämme und starke Türme. Mit Vorliebe wählten sie ihre Wohnsitze am Flussbett der Niers, weil sie hier durch die Beschaffenheit des Geländes und die zahlreichen Wassergräben einen natürlichen und ausgezeichneten Schutz für ihr unritterliches Handwerk fanden. Den Pflug verstanden sie nicht zu führen, desto besser aber das Schwert. Die Bevölkerung ging diesen „Junkern“ – wie sie im Volksmund genannt wurden – weit aus dem Wege. Sie fürchtete diese rauflustige Gesellschaft und hasste ihr brutales Regiment.
Unser Dorfbrunnen
Franz-Bernd Kösters (†03.08.2005)
Zur Würdigung dieser historischen Ereignisse hatte sich der Heimatausschuss in Verbindung mit den Geselligen Vereinen zum Ziel gesetzt, einen Dorfbrunnen zum Andenken an die Niersjunker zu schaffen. Dieser sollte an einer zentralen Stelle des Dorfes die Erinnerung an diesen wenig rühmlichen Zeitabschnitt lebendig halten. Daher kam als Standort nur der Marktplatz in Frage. Umgesetzt wurde diese Idee dann im Jahre 1998. Der Bildhauer Karl Hoss schuf einen mittelalterlichen Niersjunker, der vollkommen passend zur obigen Beschreibung mit Bierkrug und Messer bewaffnet seiner Wege zieht. Die Bodenplatten rund um den Brunnen zeigen die Embleme der zehn Wettener Vereine. Am Nikolaustag des Jahres 1998 fand die feierliche Einweihung statt, und seitdem lud er viele neugierige Besucher, die den schönen Marktplatz passieren – dank seiner wahrlich nicht alltäglichen Darstellung -, zu einer ausgiebigen Besichtigung ein. Natürlich gibt es in Wetten noch den einen oder anderen Nachfahren der Niersjunker, sodass es nicht weiter verwunderlich ist, die Erinnerung an die Ahnen – durch das seit 1999 alljährlich zum 1. Mai vom Heimatausschuss veranstaltete Brunnenfest – feuchtfröhlich aufrechterhalten wird.